Die Donau ist meine Lebensader – Monika Wagner

Corona-Pandemie: Die beiden vergangenen Jahre haben deutlich gemacht, dass das Deutsche Gesundheitssystem krank ist. All jene, die das System am Laufen halten, werden nicht geschont, tragen große Verantwortung und Last, waren und sind dabei einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Studien gehen davon aus, dass bis 2035 rund 300.000 Pflegekräfte fehlen. Ein brisantes Thema also, das uns alle angeht. Im Interview findet die diplomierte Pflegefachkraft Monika Wagner dafür deutliche Worte und verrät uns, was Regensburg für sie tut, damit das Leben lebenswert bleibt.

Monika Wagner genießt die Regensburger Altstadt. (Foto: privat)

Corona, steigende Krankenkassenbeiträge, fehlende Pflegefachkräfte sind nur einige Schlagworte rund ums deutsche Gesundheitswesen: Sie arbeiten seit fast 30 Jahren im Gesundheitswesen. Welche Therapie würden Sie dem deutschen Gesundheitswesen verschreiben?

Monika Wagner: „Da ich ja aus der Onkologie komme, denke ich an eine wirksame Chemotherapie (*lacht*). Also nein, das Gesundheitswesen ist kein Krebsgeschwür. Im Vergleich zu anderen Ländern haben wir bisweilen eine ganz brauchbare Versorgung und vor allem eine Spitzenmedizin. Aber das reicht in einem so reichen Land wie Deutschland finde ich nicht aus. Ich meine, es braucht auf jeden Fall radikale – im therapeutischen Sinn – invasive Maßnahmen. Zum Gesundheitswesen gehört ja nicht nur die Heilung von akuten Krankheiten. Mir fallen da Begriffe ein wie Solidargemeinschaft, angemessene Vergütung von Care-Arbeit, Lohnausgleich, insbesondere der 24/7-Dienst müsste höher vergütet werden. Wahrscheinlich brauchen wir auch mehr technische Unterstützung, das wäre ja auch eine Form der Therapie – ich selbst bin eine Verfechterin der Robotik in der Pflege. Ich glaube, wir könnten da gute Erleichterungen schaffen. Leider scheitert es da aber schon an der fehlenden Digitalisierung und der finanziellen Umschichtung.“

Das deutsche Gesundheitswesen braucht eine Therapie.“

Reicht denn eine Kur nicht aus?

Monika Wagner: „Nein, eine Kur alleine reicht da nicht – es braucht schon eine Revolution!“

Ist die generalistische Pflegeausbildung ein Schritt in die richtige Richtung? 

Monika Wagner: „Die Idee der generalistischen Ausbildung finde ich nach wie vor gut, weil es die Pflege in ihrer Gesamtheit darstellt. Pflege bedeutet ja nicht nur, Patienten und Patientinnen im Krankenhaus wieder entlassungsfähig zu machen, sondern Pflege ist eine eigene Wissenschaft – glücklicherweise inzwischen auch in Deutschland –, die viele Erkenntnisse hat und die leider nicht entsprechend etabliert ist. Und ich bin mir sicher, dass die Idee der Generalistik gut war, aber so wie die Ausbildung jetzt gestaffelt ist, ist eigentlich die Zeit nicht ausreichend, weil man in diesen drei Jahren gar nicht all das Wissen vermitteln kann. Das bleibt nur an der Oberfläche. Die generalistische Ausbildung holt jetzt all die Leute, die Krankenpflege machen wollten und die sind alle enttäuscht, weil sie zu wenig im Krankenhaus arbeiten werden. Was ich gut verstehen kann. Der Ansatz ist gut, die Verwirklichung befürchte ich, könnte scheitern.“

Integration von Pflegekräften aus dem Ausland zählt zu einer Ihrer wichtigen beruflichen Aufgaben. Welche Herausforderungen bedeutet das für Ihre berufliche Praxis? Was sind für Sie die größten Stolpersteine?

Monika Wagner: „Der größte Stolperstein ist ganz klar die Sprache. Es ist in mehreren Studien und Fachliteratur belegt, dass wir damit – weil Pflege so ein kommunikativer Beruf ist – sowohl die rekrutierten Pflegekräfte aus dem Ausland als auch die Pflegeteams im Inland und auch die Patientinnen und Patienten vor große Herausforderungen stellen. Ich weiß aber auch, dass wir damit gut qualifizierte Menschen gewinnen, die unsere Teams bereichern. Natürlich habe ich auch ethische Bedenken was wir da tun: aus anderen Ländern die Leute abzuziehen. Es gibt da ja auch z.B. Ethik-Codices, auf die wir uns verlassen müssen, aber das ist ein ganz komplexes und schwieriges Thema. Prinzipiell denk ich, es ist ein Ansatz – wie in allen anderen Branchen auch, dass wir einfach Zuwanderung brauchen. Wie im Handwerk und im IT-Bereich kommen wir ohne Fachkräfte aus dem Ausland einfach nicht zurecht.“

Haben Sie den Eindruck, dass Sie mit Ihrer Arbeit, Ihrem Beruf einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft erfüllen?

Monika Wagner: „Ja, ganz eindeutig! Denn Pflege bedeutet Care-Arbeit und Care-Arbeit ist in allen Gesellschaftsschichten, in jedem Alter und für alle Menschen früher oder später ein Aspekt, an dem sie nicht vorbeikommen.“

„Was in der Arbeit passiert, bleibt in der Arbeit? Natürlich! Als ob mir da draußen jemand glauben würde, was hier passiert.“ Was halten Sie von dieser Aussage?

Monika Wagner kennt das deutsche Gesundheitssystem und seine Krankheiten seit fast 30 Jahren. (Foto: privat)

Monika Wagner: „Genau das ist ja das grundlegende Problem, weil Krankenhäuser oder auch Pflegeeinrichtungen so eine eigene Welt sind. Die Menschen kommen erst dann damit in Berührung, wenn sie in Not geraten. Und darum tut man sich so schwer, Leuten, die damit niemals konfrontiert waren, klarzumachen, was da drin eigentlich abgeht. Wenn wir das schaffen würden, dass das für die Gesellschaft ein interessanter Ort wird und nicht nur der Ort des Todes und des Leidens, des Sterbens, der furchtbar schlimmen Arbeitsbedingungen, dann könnten wir wahrscheinlich auch mehr darüber berichten. Aber klar – ansonsten stößt man ganz oft auf Unverständnis und hört ganz schnell auch auf, davon zu erzählen. Gespräche mit KollegInnen und mit verständnisvollen Menschen, die helfen dann, mit diesen Umständen klarzukommen.“

„Südlich der Donau scheint die Sonne.“

Nun haben wir schon viel von Ihnen als Fachfrau erfahren. Natürlich interessiert uns auch die Privatperson, die Regensburgerin in Ihnen. Was bedeutet Ihnen Regensburg? Was schätzen Sie besonders an Regensburg?

Monika Wagner: „Regensburg, das ist für mich ganz klar die Donau. Natürlich bietet Regensburg noch viel mehr. Ich bin ja eine eingefleischte Oberpfälzerin. Meine Kindheit und Jugend habe ich nördlich der Donau verbracht und im Wetterbericht kam immer ’nördlich der Donau ist das Wetter schlecht und südlich der Donau ist das Wetter gut‘. Glücklicherweise bin ich mit meinem Umzug nach Regensburg dann südlich der Donau gelandet. Das war 1992 und ich habe es seitdem geschafft, nie mehr wieder nördlich der Donau zu wohnen. Dabei bin ich gar kein Wassermensch. Ich bin viel lieber im Wald als schwimmen zu gehen, und trotzdem hat’s mir die Donau angetan.“

Ist die Donau also für Sie eine Art Lebensader?

Monika Wagner: „Lebensader – ja, das trifft es sehr gut.“

Welchen Platz in Regensburg lieben Sie? Gibt es einen Platz, den Sie uns verraten?

Monika Wagner: „Also, wo wir jetzt eben sitzen und das Interview führen, das ist so ein Lieblingsplatz (*Garten Café Weichmanns*). Ich finde es hier sehr charmant und auch charakteristisch für unsere wunderschöne Stadt Regensburg. Ich mag den Blick auf historische Gebäude. Lauschige Hinterhöfe, dann sind wir hier umgeben von Grün, es plätschert ganz stimmungsvoll Wasser im Hintergrund. Und trotzdem weiß ich, dass nur ein paar Meter weiter das Leben tobt – das schätze ich sehr.“

Was macht Regensburg aus?

Monika Wagner: „Die Studentenstadt! Das muss man dem ehemaligen Oberbürgermeister Schlichtinger hoch anrechnen, er hat die Universität nach Regensburg geholt und das macht Regensburg so attraktiv. Und was mir auch gefällt, in den letzten Jahren hört man immer mehr Sprachen. Wir haben, glaub ich, eine große kulturelle Vielfalt in der Stadt und das begrüße ich sehr.“

In Zeiten von Corona hat die Kultur sehr gelitten. Wie haben Sie sich damit arrangiert?

Monika Wagner: „Nun, da ich durch die Pandemie ja beruflich sehr eingespannt war, habe ich es gar nicht so sehr vermissen können. Aber ich freue mich, jetzt wieder Plakate für Festivals und Konzerte zu sehen und dass Festivals – auch wenn ich mich selbst dafür zu alt fühle – in der Form wieder stattfinden können. Überhaupt finde ich Festivals, Märkte, Akrobatikvorführungen, die in Regensburg stattfinden, einfach wunderschön und das macht es hier ja auch so lebenswert.“

Monika Wagner liebt das Leben. (Foto: privat)

Stichwort Festivals: Tanzen Sie auf Partys oder stehen Sie am Rand?

Monika Wagner: „Ich tanze!“

Sekt oder Selters?

Monika Wagner: „Sekt!“

Buch oder TV?

Monika Wagner: „Buch!“

Alleinsein oder Freunde?

Monika Wagner: „Das kann ich nicht so einfach beantworten, das ist stimmungsabhängig. Ich bin gern allein und ich hab gern gute Freunde und Freundinnen um mich.“

Stichwort FreundInnen: Wie kann man Sie umgarnen und für sich gewinnen?

Monika Wagner: „Durch Zuverlässigkeit und Naturnähe.“

Was würden Ihre FreundInnen sagen, wenn sie Sie mit drei Worten beschreiben sollen?

Monika Wagner: „Dass ich ehrlich und empathisch bin. Und ich glaube, viele sagen auch, dass ich fleißig bin – aber da hab ich selbst so meine Zweifel (*schmunzelt*).“

Wenn Sie alles ausblenden, was mit Rollen zu tun hat (Status, Job, Ehe, etc.) – wer sind Sie?

Monika Wagner: „Eine Person, die gerne die Welt verändern würde, aber sich allein zu machtlos fühlt. Eine Person, die es nicht schafft, genügend Menschen um sich zu scharen und damit die Welt wirklich zu verändern. Deshalb beschränke ich mich aufs Fahrradfahren (*zwinkert*).“

Bildung und Gesundheit sind Bestandteile eines erfüllten Lebens.“

Was macht Sie glücklich? 

Monika Wagner: „Es gelingt mir nicht immer, auch vielleicht weil ich in eine Zeit hineingeboren wurde, in der es nicht so ganz einfach war, so wie ich geboren war frei zu sein und deshalb macht mich Freiheit – gedankliche Freiheit, glücklich. Und dann natürlich auch Gesundheit und Bildung. Lebenslanges Lernen ist für mich sehr wichtig!“

Was macht Sie traurig? 

Monika Wagner: „Traurig machen mich unausgetragene Konflikte und der Zustand der Welt (*atmet tief ein*).“

Ist die Absenz von Leiden schon Glück?

Monika Wagner: „Die Abwesenheit von Leiden, das ist eine sehr philosophische Frage.“

Anders formuliert: Ist die Absenz von Leiden für SIE schon Glück?

Monika Wagner: (*nach kurzer Überlegung*) „Ja. Leiden ist ja so ein großer Begriff – wir wissen im Anblick von Welthunger und Ukraine-Krieg ja gerade sehr gut, was wirklich Leiden bedeutet. Aber auf mich bezogen, wenn ich frei von Leiden bin – eigentlich darf es ja gar nicht Leiden heißen –, dann ist das für mich schon Glück.“

Sie haben die Möglichkeit, einen Abend mit interessanten – gerne auch historischen oder fiktiven – Persönlichkeiten zu verbringen. Welche drei Personen wären das?

Monika Wagner: „Konstantin Wecker, Elfriede Jelinek und Frida Kahlo.“

Eine interessante Auswahl. Was ist denn für Sie das Spannende bei diesen Personen?

Monika Wagner: „Ja, der Konstantin Wecker… Ich hatte schon mal die Gelegenheit ihn zu treffen. Bei einem Konzert durfte ich hinter die Kulissen schauen und danach war ich völlig entmystifiziert: ich dachte, das ist so ein nervöser Typ, der vor allen Dingen immer sein Handtuch um den Hals braucht, um keinen Zug zu bekommen. Totale Entzauberung! Das hat aber nicht lang angehalten, inzwischen ist er 75 und ich würde gerne mal wieder einen Abend mit ihm verbringen, und zwar nur mit ihm. Und die Elfriede Jelinek, die österreichische Schriftstellerin, die so verquer ist und gleichzeitig so genial schreibt! Ich hab auch ihre Bücher gelesen. Der würde ich gerne einfach mal gegenübersitzen und dann ähnliche Fragen stellen, wie Sie sie mir gerade stellen. Frida Kahlo, das ist jetzt vielleicht etwas abgedroschen – das war so eine leidenschaftliche Person. Da könnte ich mir auch gut vorstellen, mit ihr mal eine Party zu feiern.“

Welche Menschen finden Sie denn generell faszinierend?

Monika Wagner: „Menschen, die klare Entscheidungen treffen.“ 

Wenn Sie die Möglichkeit bekämen, Ihr Leben mit einer Person zu tauschen, wer wäre das? Oder, falls Sie den Tausch nicht wünschen, warum wollen Sie Ihr eigenes Leben behalten?

Monika Wagner: „Nein, ich will mein Leben mit niemandem tauschen, weil mein Leben voller schöner Erinnerungen ist, auch wenn ich in nicht ganz einfachen Verhältnissen aufgewachsen bin und ich meine Familie, insbesondere meinen Sohn und das Leben liebe. Und wenn ich mit irgendjemandem mein Leben tauschen müsste, wäre er verschwunden und alles andere und das fände ich furchtbar.“

Vielen Dank für dieses abwechslungsreiche und interessante Gespräch! Ich wünsche Ihnen alles Gute und, dass Sie Ihre Motivation und Ihre Lebensfreude niemals verlieren!


Gebürtig in der Nähe von Weiden lebt Monika Wagner inzwischen seit vielen Jahren mit ihrem Mann im Landkreis Regensburg. Sie ist Mutter eines erwachsenen Sohnes und gute Freundin ihrer Stieftöchter.
Nach der Ausbildung zur Krankenschwester bildete sie sich u. a. zur Onkologischen Fachkraft weiter. Seit vielen Jahren ist sie an einem Regensburger Krankenhaus in leitender Funktion in der Pflege tätig und studiert seit 2020 berufsbegleitend an der OTH Regensburg im Masterstudiengang Leitung und Kommunikationsmanagement.

Die Autorin möchte anonym bleiben.