Etwas Neues ist es für viele Bewohner der Domstadt nicht mehr, sie kennen das freie Königreich Samuelien versteckt gelegen am Ostbahnhof. In manchen Augen ein Idyll, für andere nur ein Trailerpark – die Bewohner mehrfach interviewt, denn das Königreich und das Gelände, auf dem es liegt, polarisiert. Doch ist es nicht schade, immer die gleiche Darstellung? Anki Peter findet schon. Zwar wohnt sie im Königreich, aber das ist noch lange nicht alles, was die Wahlregensburgerin besonders macht.

Sucht man im Internet, findet man einiges zum Königreich Samuelien und auch zu Ihnen. Sehen Sie sich selbst als Regensburgerin?
Anki Peter: „Ursprünglich bin ich Schwandorferin und nur wegen der Arbeit hergezogen, also gar keine richtige Regensburgerin (zwinkert und grinst). In Samuelien bin ich zufällig gelandet, das war so nicht unbedingt geplant. Ich bin kein Stadtmensch. Das Stadtleben ist auch nicht das, was mich in Regensburg hält, sondern ich bin noch da, weil es mir hier, wo ich wohne, gut gefällt. Es erinnert nicht an Stadt. Selbstverständlich ist Regensburg wunderschön, hat viele Vorzüge aber meine Fortgehzeit ist vorbei. Ich brauche den Trubel nicht und bin wenig direkt in der Stadt. Mich zieht es schon immer mehr aufs Land.“
Ihre Wohnweise ist für viele besonders. Wie lange wohnen Sie hier, wie war Ihre vorherige Wohnsituation?
Anki Peter: „Seit 2017 lebe ich hier, das ist für mich persönliche eine lange Zeit. Wenn ich recht überlege, die längste Zeit, die ich bisher an einem Ort gewohnt habe. Während meiner Studienzeit, hatte ich ein kleines Zimmer. Denn als Student kann man keine großen Sprünge machen. Nach paar Jahren im Berufsleben zog ich in Schwandorf in eine Wohnung. 80m² für mich allein. Eigentlich habe ich die nur gemietet, weil sie günstig war und dann fing eine Art Kreislauf an, ein Irrsinn.“

Welcher Kreislauf?
Anki Peter: „Die Wohnung ist groß und leer, also kauft man sich einen großen Schrank, danach eine große Kommode usw. Die füllt man randvoll mit Klamotten oder anderem Zeug. Irrsinn, wenn ich es hinterfrage. Denn vorher brauchte ich das alles nie und empfand es als Belastung.“
Bewusst mit weniger Leben, raus aus der Spirale, war das der Grund für den Umzug nach Samuelien?
Anki Peter: „Nein, nicht nur das. Da müsste ich weiter ausholen. Begonnen hat das irgendwo früher.“ (schaut nachdenklich)
Gern, wo hat die Reise ihren Anfang genommen?
Anki Peter: „Ich kannte niemanden, der so wohnt, bin nicht alternativ aufgewachsen, was manchmal vermutet wird. Großgeworden bin ich im eher konservativen Umfeld der klassischen Mittelschicht. Meine Mutter hatte anfangs mit meiner Entscheidung zu kämpfen. Als Eltern hat man andere Vorstellungen von seinem Kind, einen Bürojob, eine „normale“ Wohnung. Dabei habe ich bereits im Studium alles dafür getan, dass ich irgendwann nicht in einem langweiligen Planungsbüro arbeiten muss.“
Denken Sie der Grundstein für den Sinneswandel wurde während Ihrem Studium gelegt?
Anki Peter: „Viele meiner Mitstudierenden absolvierten ihr Praxissemester im Planungsbüro. Ich wollte das nie, habe lieber an Projekten im Ausland teilgenommen und dabei ein halbes Jahr im Regenwald von Costa Rica in einem Zelt gewohnt und Bambushütten gebaut. Nur am Wochenende kam ich ins nächste Dorf, das zu Fuß 1,5 Stunden entfernt lag. Bei einer anderen Studienreise ging es von Berlin über Moskau nach Novosibirsk. Wir sind mit dem Bus durch Tundra und Taiga gefahren, haben Bodenproben, Pflanzen und Tiere analysiert. Zähne putzen ging nur, wenn man Eis aus dem Bach geschlagen hatte, sonst gab es kein Wasser. Mühsam, aber schön.“
„Warum man sein Zuhause verlässt, um etwas anderes zu sehen, wenn man zuhause alles hat, was man braucht.“
Das sind außergewöhnliche Erlebnisse. Was davon hat Sie bis heute nachhaltig beeindruckt?
Anki Peter: „In der Mongolei sind wir in einer Gemeinde untergekommen, die hatten zuvor noch nie Touristen getroffen und konnten nicht verstehen, warum man sein Zuhause verlässt, um etwas anderes zu sehen, wenn man zuhause alles hat, was man braucht. Die Leute dort hatten nichts und haben für uns eines ihrer Schafe geschlachtet. Das war eine sehr große Ehre. Zum Frühstück bekamen wir vergorene Stutenmilch. (verzieht bei dem Gedanken daran das Gesicht und schmunzelt anschließend)“
Des Weiteren haben Sie in Österreich auf einer Alm als Sennerin gelebt. War das ein Experiment?
Anki Peter: „Das denken viele, aber im Prinzip war das für drei Jahre mein Beruf. Das könnte ich mir wieder vorstellen, bis auf die Leute, die damals wie heute hier in Samuelien meinen, wir machen das aus Spaß und durchs Fenster schauen, ob man wirklich hier lebt. Das finde ich schräg.“
Drei Jahre sind eine lange Zeit, welche Dinge haben Sie besonders vermisst?
Anki Peter: „Nebenan zum Einkaufen gehen ist auf der Alm nicht drin. Da muss man planen, gerade wenn Gäste kommen. Etwas zu vergessen ist bei diesen Wegen fatal. Internet oder Fernsehen gab es nicht. Wenn wer die Krone Zeitung mitbrachte, war das ein Highlight. Als ich nach drei Jahren wieder Tatort geschehen habe oder Kriegsberichte in den Nachrichten, konnte ich das erst gar nicht verarbeiten. Nach regelmäßigem Konsum solcher Medien stumpft man wieder ab, obwohl ich diese Medien nicht direkt vermisst habe. Durch die bewusstere Wohnsituation habe ich einen bewussteren Umgang mit Medien und anderen Konsum- bzw. Verbrauchsgütern.“
Ganz aus der Spirale gelöst ist man aber nie, oder?
Anki Peter: „Wenn ich zwischendurch in Schwandorf war, dachte ich, in dieser großen Wohnung mag ich nicht mehr sein. Es hat sich nicht richtig angefühlt. Das reduzierte Leben auf der Alm gefiel mir besser, genauso das halbe Jahr im Zelt in Costa Rica. Mir wurde klar, wenn es klein ist, wenig um mich herum, dann empfinde ich das nicht als Einschränkung, sondern genau das gefällt mir.“
Wie ordnen Sie Ihre Reise mit dem VW-Bus ein?
Anki Peter: „Zu diesem Zeitpunkt war ich im Job unglücklich. Obwohl ich das nie wollte, war ich in einem Planungsbüro gelandet. Dann kam eine Knieoperation. Nach der Reha war ich mutig, hab gekündigt und mir einen VW-Bus gekauft, mit dem ich halbes Jahr gereist bei. In der Zeit hat sich der Job in Regensburg ergeben. Ich hatte bereits Loisl, meinen Hund und wollte mir den täglichen Arbeitsweg sparen. Also ging es nach Regensburg.“
Das vorläufige Ziel der Reise – warum dann Samuelien?
Anki Peter: „In eine Wohnung wollte ich nicht, weil ich dafür tatsächlich zu geizig bin. Es liegt nicht daran, dass ich mir die Mietpreise in Regensburg nicht leisten kann, aber es ist mir einfach zuwider. Die Preise stehen für mich in keiner Relation und immer, wenn ich klein gewohnt habe, war das für mich erst recht heimelig, hat mir besser gefallen. Meine große Wohnung in Schwandorf war Ballast, allein der Gedanke, wohin mit dem ganzen Zeug bei einem Umzug hat mich nervlich fertig gemacht. Ich wollte mich loslösen und mir gefiel die Idee idyllisch im Bauwagen zu wohnen. Bis dahin wusste ich aber nicht wie, wo und überhaupt. Also war es naheliegend was zu finden, wo schon jemand im Bauwagen lebt. In der MZ las ich einen Artikel über Regensburg und Samuelien, also nahm ich Kontakt zum Eigentümer auf und wurde zum Plenum, der zweiwöchentlichen Sitzung eingeladen. Dort wurde beschlossen, dass ich herziehen darf.“
„Der Übergang zwischen alternativ und assi ist für die meisten beinahe fließend.“
Und dann ging es gleich los?
Anki Peter: „Erst war ich perplex, denn ich dachte nicht, dass es so schnell geht und hab noch mal überlegt, will ich das? Mir war bewusst, dass es Vorurteile geben könnte. Findet es jemand eventuell asozial? Natürlich kommen Klischees auf und ranken sich Geschichten um das Königreich. Der Übergang zwischen alternativ und assi ist für die meisten beinahe fließend.“
Liegt das daran, dass der Begriff Alternativ oft negativ behaftet ist?
Anki Peter: „Ich wusste nicht, wie es hier ist. Es gibt Wagenplätze, da würde ich keinen Fuß reinsetzen, zu chaotisch und zu schmuddelig. Aber auch das ist doch nicht gleichzusetzen mit asozial. Die Gesellschaft sieht das jedoch so. Vielleicht bin ich alternativ? Das zu beantworten ist gar nicht so einfach. Klar ist, ich habe meine Grenzen und mir deswegen genau angesehen, wo ich hinziehe. Einfach tun und lassen was man möchte, geht hier nicht. Wir leben in der Gemeinschaft nach klaren Regeln, gehen arbeiten, manche Vollzeit, andere Teilzeit aber alle wohnen hier aus Überzeugung.“

Sie leben mit Mann und Kind hier. Wie geht Ihr Umfeld damit um?
Anki Peter: „Als ich den ersten Wagen ausgebaut habe, lernte ich meinen Mann kennen. Er hat in München gewohnt und mir viel dabei geholfen. Wenn man weiß, dass es passt, geht es oft ganz schnell. Wir haben beschlossen zu heiraten und gemeinsam hier einzuziehen. Meiner Mutter gegenüber habe ich nie von Bauwagen gesprochen, sondern immer von Tinyhouse. Das ist seit vielen Jahren im Trend und gut akzeptiert. Klingt auch schöner als Bauwagen. Als Mama bei Schmuddelwetter den alten Wagen voll mit Baumaterial und einer Schlafmatratze gesehen hat, war sie sprachlos. Das hat Seltenheitswert bei ihr (verschmitztes Grinsen). Sie wollte für ihr Mädchen lieber den Bürojob plus Wohnung.“
Wie ist der heutige Standpunkt Ihrer Mutter?
Anki Peter: „Man sieht ja, wie sich das hier entwickelt hat.“
Ich blicke mich um, wir sitzen in einem geschmackvoll ausgebauten Tageswagen mit Holzofen, Küchenzeile und Tagesbett. Die Tür steht offen, draußen auf der überdachten Veranda ein Schaukelstuhl. Es gibt einen weiteren Wagen, der als Schlafwagen dient. Es ist idyllisch, gemütlich, ich fühle mich willkommen und heimelig.
Anki Peter: „Was endlich klar ist, das hier ist nicht die Endstation. Wir haben uns das bewusst ausgesucht, weil es so gefällt. Wenn wir mit der Familie darüber sprechen, dass wir uns vorstellen können ein kleines Haus zu renovieren, finden die meisten, wir sollen in Samuelien bleiben, auch wegen unserem Sohn. Wo gibt es heute noch diese Gemeinschaft und gegenseitige Unterstützung? Außerdem wohnt auch die Oma in der Nähe ihres Enkels, das gefällt ihr natürlich.“
„Man sollte Träume nicht von anderen abhängig machen – nicht darauf warten, dass sich was ergibt, sondern die Dinge selbst machen.“
Vielen Dank für die Zeit und Offenheit. Gibt es abschließend etwas, was Sie den Menschen in Regenburg sagen möchten?
Anki Peter: „Ich habe viele meine Abenteuer allein gemacht und finde man sollte Träume nicht von anderen abhängig machen – nicht darauf warten, dass sich was ergibt, sondern die Dinge selbst machen. Sich freimachen von der Erwartungshaltung anderer Personen, sich rausnehmen aus der Situation und aussortieren, die eigenen Bedürfnisse herausfinden und Dinge aus Überzeugung machen.“
Anki Peter (33) ist in einem traditionellen Umfeld in Schwandorf aufgewachsen. Während ihres Studiums zur Landschaftsarchitektin merkt sie, dass ein Job im Planungsbüro nicht das ist, was sie erfüllt. Nimmt dort die Sehnsucht nach der andersartigen Heimat ihren Beginn? Ist das die Geburtsstunde von Anki, der Weltenbummlerin? Begib dich mit uns auf eine Reise. Von Costa Rica und Sibirien über eine Alm nach Regensburg. Lass dich Klischees aufbrechen und erfahren, was Heimat bedeutet.

Die Autorin möchte anonym bleiben.